Neue WIR-Kultur für Organisationen

Der Paradigmenwechsel

Die neue WIR-Kultur steht für den Übergang von der modernen Gesellschaft hin zur Netzwerkgesellschaft. Verschiedene Vordenker versuchen diese durch bildliche Ansätze zu beschreiben. Ulrich Weinberg spricht von Brockhausdenken versus Netzwerkdenken.  Seine provokante These lautet sinngemäß „der Brokhaus ist tot – es lebe das Netzwerk“. Laut Weinberg werden wir nicht mehr in aufeinanderfolgenden ABC-Sequenzen, nicht mehr stringent im Sinne von Zielplanung, Meilensteinen und geraden Wegen zum Ziel denken, sondern in vernetzten Knotenpunkten, die ein Wissensgeflecht aufbauen und sich gegenseitig unterstützen. Peter Spiegel identifiziert den WeQ und sagt WeQ ist mehr als IQ. Er spricht von neuen Qualitäten, die wir in Zukunft brauchen werden: Empathie, Potentialentfaltung des Einzelnen, Austausch auf Augenhöhe, Team und Prozess, Ergebnisoffenheit.

Das sagt die Zukunftsforschung

Das Zukunftsinstitut hat in umfassenden Umfragen die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in unserer Gesellschaft identifiziert. Es seien nicht Politiker oder Unternehmen, die das sagten, sondern die Mehrheit der Deutschen. Die Menschen merkten, dass sich ein tiefgreifender Wandel vollziehe, der die Gesellschaft spalten oder neue Formen der Partizipation und des Miteinanders schaffen könne. Auch meiner Beobachtung nach wird Politik von unten immer entscheidender. Der Mensch erobert sich seine Umwelt zurück und will diese selbst gestalten. Maßnahmen, wie die Einführung von Bürgerbudgets, die für Nachbarschaftsprojekte von Menschen für Menschen zur Verfügung stehen, sind ein Beispiel für vom Staat geschaffene Rahmenbedingungen, um auf das stärker werdende Bedürfnis nach Selbstbestimmung der Bürger zu antworten. Somit werden die Initiativen kleinteiliger, bleiben häufig noch unter dem Radar der klassischen Berichterstattung. Im Gegenzug sind sie selbstorganisiert und intrinsisch motiviert. Ein weiterer Aspekt unserer sich wandelnden Gesellschaft ist also, dass Veränderungen zunehmend aus sich selbstheraus geschehen werden, orientiert an den alltäglichen Bedürfnissen der Menschen. Die Zukunft wird dadurch weniger planbar. Wir werden weniger versuchen die Zukunft politisch oder unternehmerisch vorherzusagen und zu kontrollieren. Im Gegenteil werden wir mehr ausprobieren und schließlich den Weg gehen, der sich für das Individuum ebenso wie für eine übergeordente Sinngemeinschaft richtig und gut anfühlt.

Was bedeutet das eigentlich für Unternehmen?

Was heißt das für Organisationen? Zunächst werden die Mitarbeitenden zunehmend in die Mündigkeit kommen. Führungskräfte werden mehr Freiräume lassen, stärker auf das Wissen und die Kreativität divers zusammengesetzter Teams setzen. Im Idealfall nicht nur interdisziplinäre Teams, sondern ebenso Teams unterschiedlicher Altersstrukturen oder Kulturen. Dieser Austausch und Prozess braucht professionelle Anleitung und Moderation von Menschen, die mehrere Sprachen sprechen. Die Sprachen der Kulturen im Unternehmen. Es wird Menschen brauchen, die sich auf Nicht-Wissen und geplante Unsicherheit einlassen können und der Organisationen dennoch einen sicheren Rahmen bieten. Der Kulturwandel vollzieht sich bereits in vielen Bereichen, wie Frederic Laloux in seinem Buch „Reinventing Organisations“ identifiziert. Er spekuliert, ob wir eine neue Bewusstseinsstufe brauchen, um Organisationen neu zu definieren. Es wird um Ganzheit gehen, im Sinne von Platz für den ganzen Menschen im Unternehmen, weniger um das reine berufliche Selbst. Es geht um organische Weiterentwicklung. Es geht darum im Inneren flexibel zu bleiben, innere Vielfalt zu generieren und zu kultivieren. Dafür wird es nicht zuletzt Menschen brauchen, die sich auf neue Prozesse einlassen wollen, denen das Miteinander ebenso wichtig ist wie das Ich und die die Potenziale der neuen WIR-Kultur erkennen und mitgestalten wollen.

Silke Borgmann ist Trainerin, Moderatorin, Business-Coach und Mutter. Sie steht für kollektives Bewusstsein und kollektive Kreativität in Unternehmen. www.silkeborgmann.de

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